Die Vermögensverwaltung und der Privatanleger

Wer über ein Vermögen verfügt, wird sich meist nicht auf die eigene Intuition verlassen. Vielmehr ist es ab einer gewissen Summe angezeigt, die Verwaltung der Bestände in professionelle Hände zu geben. Bei den Banken gibt es Spezialisten, die das Kapital nicht der Inflation überlassen, sondern durch fundierte Anlageentscheidungen eine Mehrung des Vermögens herbeizuführen. Gleiches gilt für die private Vermögensverwaltung oder Treuhänder, neuerdings auch Trustees genannt.

Die gesetzlichen Bestimmungen im Finanzsektor

Allerdings sind diese Experten in der Schweiz wie in anderen Ländern an gesetzliche Vorgaben gebunden. Formuliert sind die Bestimmungen im Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) und im Finanzinstitutsgesetz (FINIG). In drei zusätzlichen Ausführungsverordnungen hat der Gesetzgeber den rechtlichen Rahmen vorgegeben und die Wettbewerbsbedingungen vereinheitlicht, um für einen besseren Kundenschutz bei der Vermögensverwaltung zu sorgen. Die Verhaltensregeln für die Finanzdienstleister orientieren sich an dem Schutzbedürfnis ihrer Kundschaft.

Der Begriff „Finanzdienstleistungen“ ist im FIDLEG weit gefasst, weil die Vorschriften sektorübergreifend das Verhalten diverser Markteilnehmer regeln sollen. Demnach gelten als Finanzdienstleistungen:

Das Erwerben oder Veräussern von Finanzinstrumenten

Das Annehmen oder Übermitteln von Aufträgen mit Finanzinstrumenten als Gegenstand

Die Vermögensverwaltung

Die Anlageberatung

Kreditgewährung oder das Durchführen von Geschäften mit Hilfe von Finanzinstrumenten

Neben Banken, Wertpapierhäusern und Versicherungen werden auch Vermögensverwalter von den seit 2020 geltenden Bestimmungen erfasst. Aber auch andere Anbieter sind an das FIDLEG gebunden, sobald sie für ihre Kunden Finanzdienstleistungen erbringen.

Eignung und Verhalten der Vermögensverwalter

Das neue Gesetz legt dem Verwalter von Vermögenswerten aber auch gewisse Verhaltenspflichten auf. Diese basieren auf der mehrfach novelierten EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive).

Welchen Pflichten der Vermögensverwalter nachzukommen hat, hängt vom Kundensegment ab, dem der Interessent angehört. Die Kenntnisse des Auftraggebers, seine Erfahrungen, Anlageziele und finanziellen Verhältnisse muss der Berater stets berücksichtigen. Damit er aber sinnvolle Anlageentscheidungen treffen kann, sollte er über zuverlässige Informationen über die am Markt angebotenen Finanzinstrumente verfügen.

Die Kundensegmentierung

Wissen und Erfahrung der Kunden variieren erheblich und somit auch ihre Schutzbedürftigkeit. In Artikel 4 verlangt das FIDLEG deshalb, dass der Vermögensberater eine entsprechende Kundensegmentierung vornimmt. Als Folge dieser Klassifizierung ergibt sich der Umfang der Pflichten einer Vermögensverwaltung, die der Dienstleister gegenüber seinen Auftraggebern im Einzelfall zu erfüllen hat.

Die Auskünfte des Kunden sind für seine Einstufung das entscheidende Kriterium. Zwei Hauptkategorien unterscheidet das Gesetz, nämlich den Privatkunden sowie den Auftraggeber mit professionellem Hintergrund. Eine Untergruppe der letzten Kategorie ist der institutionelle Kunde. Somit ergeben sich für das FIDLEG die folgenden Segmente mit einem aufsteigenden Niveau der Schutzbedürftigkeit:

Der institutionelle Kunde (Art. 4 Abs. 4)

Finanzintermediäre (beaufsichtigt in der Schweiz)

Versicherer (ebenfalls dort beaufsichtigt)

Ausländische Finanzintermediäre sowie Versicherungsunternehmen (einer gleichwertigen Aufsicht unterstellt)

Zentralbanken

Nationale oder supranationale Körperschaften des öffentlichen Rechts, die über eine professionelle Tresorerie verfügen

Der professionelle Kunde (Art. 4 Abs. 3)

Körperschaften des öffentlichen Rechts mit einer professionellen Tresorerie

Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, ebenfalls entsprechend ausgestattet

Grosse Unternehmen (Bilanzsumme grösser als CHF 20 Mio., Grenzwert Umsatzerlös CHF 40 Mio., Eigenkapital CHF 2 Mio.)

Private Anlagestrukturen für eine vermögende Kundschaft mit ebensolchen Voraussetzungen

Die Klassifizierung der professionellen Kundschaft im FINLEG orientiert sich am Kollektivanlagegesetz (KAG). Allerdings sind die Gesetzeswerke nicht in allen Punkten identisch. Für das FIDLEG ist etwa ein Kunde, dessen Vertrag für die Vermögensverwaltung auf lange Sicht geschlossen wird, nicht von vornherein ein professioneller Kunde.

Der Privatkunde (Art. 4 Abs. 2)

Als ein Privatkunde, so ergibt sich aus den vorherigen Definitionen, kann deshalb jeder Kunde gelten, der die genannten Kriterien nicht erfüllt. Allerdings bleibt ihm noch die Möglichkeit des sogenannten Opting -out: Der Betroffene erklärt, er wolle als professioneller Kunde behandelt werden. Das FIDLEG stellt in seinem Artikel 5 die Möglichkeit anheim, das gesetzlich garantierte Schutzniveau zu erhöhen oder sogar den Verzicht auf selbiges zu erklären.

Beim Opting-in hingegen erhöht sich der Schutz durch die Einordnung in eine entsprechend anspruchsvollere Kategorie. In beiden Fällen muss der Kunde seinen Wechsel schriftlich formulieren und einreichen. Die neue Vereinbarung gilt anschliessend für alle Dienstleistungen, die der Vermögensverwalter für ihn erbringt. Nach einem Opting-out kann er demnach nicht beanstanden, dass der Finanzverwalter in bestimmten Fällen seiner Aufklärungs- oder Warnpflicht nicht nachgekommen wäre.

Eigeninitiative oder professionelle Hilfe?

Durch die zunehmende Verbreitung von Finanzportalen im Internet finden immer mehr Privatanleger Gelegenheiten für eine selbstbestimmte Wertanlage. Allerdings zeigt sich immer wieder, dass Investitionen viel Erfahrung erfordern. Und oft bleibt der erwartete Erfolg aus, weil besonders in komplexen Situation die Intuition der Neulinge versagt. Ausserdem sind bestimmte Mythen über Vermögensverwalter nicht länger haltbar. Ein seriöser Dienstleister orientiert sich nicht an seinen persönlichen Gewinnen, sondern handelt im Interesse seines Kunden. Auch sind bestimmte Mindestbeträge bei vielen Anbietern längst nicht mehr Voraussetzung für einen Vertrag.

Stattdessen betreut der Finanzverwalter das Kundenportfolio ständig und nimmt fortwährend Bewertungen der Finanzmärkte vor. Auch differenzierte Finanzplanungen sind Teil seiner Aufgaben. Der private Investor aber ist meist zu einem dauerhaften Engagement nicht in der Lage. Das mit dem finanziellen Interesse verbundene Pensum bleibt so vielfach unbearbeitet, das Anlageverhalten wenig effizient. Deshalb suchen immer mehr Privatanleger den Vermögensverwalter auf. Denn besonders die aktuelle kräftig steigende Inflation erfordert es, das vorhandene Kapital erfahrenen Akteuren anzuvertrauen.